Serie, Teil 3 anlässlich des Gedenkens zum internationalen Holocaustgedenktag: „Jüdisches Leben in Deutschland“

26.01.2022


Serie, Teil 3 anlässlich des Gedenkens zum internationalen Holocaustgedenktag: „Jüdisches Leben in Deutschland“
>>Licht zeigen<< - eine Aktion des Freundeskreis Yad Vashem zum Gedenken an die Opfer des Holocaust

Liebe Besucherinnen und Besucher der MCG-Homepage,

wie Sie und ihr dem vorangegangenen Leitartikel bereits entnehmen konnten/ konntet, möchten wir Ihnen und euch nach der Eröffnungsveranstaltung am Samstag die Einzelbeiträge in einer kleinen Serie ans Herz legen, denn – ganz bewusst gewählt – findet die Doppelausstellung „Jüdisches Leben in Deutschland“/ „Jüdische Nachbarn“ in der letzten Januarwoche statt – der Woche, in der international und weltweit am 27.01. an die unfassbaren Verbrechen des Holocaust erinnert und all der Millionen Opfer jüdischen Glaubens gedacht wird.

Anlässlich der Eröffnungsfeier trug Gerda Gnad als Vertreterin des Arbeitskreises Erinnerungskultur/ Bürgerstiftung Förderturm Bönen ihre ernsten und berührenden Reflexionen zur Bedeutung des Erinnerns vor. Gerade der Holocaustgedenktag fordert wissende Erinnerung in Verantwortungsübernahme für Zukunftsgestaltung ein – „Nie wieder darf Antisemitismus einen Platz in unserer Gesellschaft haben!“ (Bundespräsident Steinmeier 2021) Wir als multikulturelle Schulgemeinde und SoR/SmC-Schule stehen für dieses „Nie wieder!“ Wir gedenken heute all der Menschen und jüdischen MitbürgerInnen, die dem mörderischen Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind.

Bild Kerze

Aus der Rede Gerda Gnads am 22.01.2022:

„[Es sind] 1700 Jahre, in denen jüdische Mitmenschen unsere Kultur, unser Geistesleben, unsere Wissenschaft so unendlich bereichert und unsere gesellschaftliche Entwicklung vorangebracht haben. […] 1700 Jahre aber auch, die den Jüdinnen und Juden in Deutschland so viel Leid, Diskriminierung, Gewalt und Tod gebracht haben. Leider auch acht jüdischen Mitmenschen hier in Bönen in der Zeit des Nationalsozialismus. Acht Stolpersteine gegen das Wegschauen und Vergessen erinnern an sie.

Die international tätige Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann hat 2018 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten – zusammen mit ihrem Mann Jan Assmann. Als unermüdliche Wegbereiterin für eine kluge und aufgeklärte Erinnerungskultur spricht sie von einer erinnerungsfreudigen und einer vergessensfreudigen Gesellschaft. Was erinnert oder vergessen wird, ändert sich ständig – je nach unserem Wissensstand und unserer Werteorientierung. Und es prägt unser Weltbild und unseren Umgang miteinander. […] Unsere Nation ist ein Verbund von Menschen unterschiedlichster Herkunft, Ethnie und Religion, die sich auch an beschämende Episoden ihrer Geschichte erinnern und politische Verantwortung für die ungeheuren Verbrechen übernehmen kann, die im Namen dieser Nation begangen wurden… Wir erinnern uns, um zukunftsfähig zu sein…. auf dass in Zukunft nie wieder Antisemitismus, Fremden- und Menschenfeindlichkeit zu Diskriminierung, Gewalt und Tod führen möge. Woran müssen wir uns in diesen Tagen schmerzlich erinnern? […] Der Holocaustgedenktag am 27. Januar erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz 1945 durch die Sowjetarmee und wurde 1996 zum staatlichen Gedenktag für alle Opfer des NS-Regimes erhoben. Er ist ein wichtiger Denk-Tag für uns Deutsche. Auschwitz ist der fürchterlichste Ausdruck des NS-Rassenwahns. Auschwitz steht für den Massenmord der Nazis an Juden, an Sinti und Roma, an Zeugen Jehovas, an politischen Gefangenen und Homosexuellen. Unsere Gedanken sind auch bei den Millionen verschleppter Slawen, entrechteten und gequälten Zwangsarbeiter*innen, ermordeten Kranken und Behinderten. Freunde und Familien der Ermordeten litten unter dem Verlust ihrer Lieben. Die Geschundenen selbst – wenn sie überlebt hatten, mussten lebenslang unter den Traumata der NS-Verbrechen leiden. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog formulierte es 1996 bei der Einführung des Holocaustgedenktags so: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll […] jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“ […] Selbst heute in Coronazeiten ist eine Kontinuität zu den Verschwörungstheorien […] des NS zu beobachten: z.B. die Juden profitierten von der Pandemie, das Coronavirus sei ein Werkzeug der Juden um ihren globalen Einfluss auszubauen. Das schleichende Gift des Antisemitismus, ideologisch verstärkt in den sozialen Netzwerken hat nicht erst seit Halle die Sorgen der jüdischen Bevölkerung in Deutschland verstärkt. Antisemitische Gewalttaten nehmen zu. Wie gefährdet ist eigentlich unsere Demokratie, was muss jede/r von uns unternehmen, wenn die unumstößlichen Grundlagen unseres Staates, die Verfassung, die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit des Rechts und die Menschenrechte von rassistischen Rechtsradikalen, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern verhöhnt und missachtet werden? […] Unsere Demokratie braucht einen lebendigen Diskurs im Austausch von Argumenten. Die Grenzen der Debattenkultur sind allerdings dort erreicht, wo Vertreter von fake news, rassistischen und gruppenfeindlichen Vorurteilen zu Pöbeleien, Hass und Anstiftung zu Gewalt gegen missliebige Teile der Gesellschaft aufrufen. Es liegt an uns dieser Entwicklung in unserem Denken, Reden und Handeln etwas entgegenzusetzen, nämlich eine Kultur des Respekts, der Wahrhaftigkeit und der Toleranz für die Vielfalt der Kulturen, Ethnien und Religionen in unserer Gesellschaft. […]“

Stand vom 26. Januar 2022, um 22:25 Uhr.