Wider das Vergessen: Die Bücherverbrennung im Nationalsozialismus 1933
Warum eröffnete am 10. Mai 1933 ein deutscher Politiker seine Propaganda-Rede vor 70.000 Schaulustigen in Berlin mit den zur Hetze anstachelnden Worten: „Deutsche Männer und Frauen, das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende“? Was war an diesem Maiabend los?
Vor 88 Jahren kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht und propagierten von da an ein System, welches keine anderen Meinungen und Vorstellungen tolerierte, Menschen- und Freiheitsrechte abschaffte und all diejenigen auf das Schärfste verfolgte, die nicht der eigenen Ideologie entsprachen. Diese Diktatur stürzte Europa 6 Jahre später in einen vernichtenden Krieg, welcher am Ende ca. 60 Millionen Todesopfer und ein am Boden liegendes Europa forderten. Der NS-Ideologie fielen am 10. Mai 1933 auch Teile der deutschen Literatur und Weltliteratur zum Opfer. Mit einem Paukenschlag wurden die Werke regimekritischer und/oder jüdischer Autoren am 10. Mai verbrannt und die Autoren selbst von nun an politisch verfolgt oder gar verschleppt. -„Säuberung“ der deutschen Bibliotheken, -Beschlagnahmung von rund 500 Tonnen Literatur allein in Berlin, -Verbot von mehr als 3000 Büchern, -Hass – und Propagandareden sowie Scheiterhaufen für literarische Erzeugnisse in ca. 20 deutschen Universitätsstädten – nur ein paar Stichworte, die die Ereignisse beschreiben, welche ab diesem Tag die ganze Welt von der „Machtergreifung“ des NS-Regimes endgültig überzeugten und in Angst und Schrecken versetzten. Das Ziel der Aktion, welche schon vier Wochen vorher mit 12 hetzerischen Thesen „Wider den undeutschen Geist“ begann, war es, das deutsch-jüdische Geistesleben vollkommen zu vernichten. Aber es blieb nicht nur bei der Verbrennung jüdischer oder systemkritischer Schriften. Propagandaplakate mit der Aufschrift „Deutsche! Kauft nicht bei Juden!“ sollten der Bevölkerung bereits im April zur radikalen Abwendung von den Mitmenschen jüdischen Glaubens in allen Bereichen des Alltags bewegen. Die Bücherverbrennung war ein Höhepunkt. Die Bibliotheken der als „Hort des deutschen Volkstums“ hoch gepriesenen Hochschulen wurden durchsucht, alle kritischen Werke ausgesondert und auf „Schwarze Listen“ geschrieben, zudem wurden viele Dozenten und Autoren, an deren Einstellung zum Regime gezweifelt wurde, durch öffentliche Schandpfähle denunziert, verfolgt, ins Exil getrieben oder später umgebracht. Einer von ihnen war Erich Kästner. Er war in Berlin live dabei, als seine Werke, begleitet von Spott und Hohn, in die Flammen geworfen wurden. Der Aspekt, der ihn zudem mit brennender Sorge erfüllte, war die Erkenntnis, dass deutsche Studenten, laut Kästner die „Blüte der Nation“, vom Regime so ideologisch verformt wurden, dass sie sofort ausführten, was man von ihnen verlangte. Die Ereignisse am 10. Mai waren erst der Anfang der Scheiterhaufen. Noch Monate später wurden durch z.B. Schulbehörden oder die Hitlerjugend Verbrennungen durchgeführt, sodass schlussendlich 102 Verbrennungen in 90 deutschen Städten erfasst wurden. Bis 1941 wurde die „Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ auf 4175 Einzeltitel und 565 verbotene Gesamtwerke aufgestockt. Zudem erschien 1940 eine ergänzende Liste mit Werken voll – oder halbjüdischer Verfasser. Insgesamt lässt sich die Geisteshaltung dieser Zeit treffend mit einem berühmten und wahrhaft prophetischen Zitat von Heinrich Heine beschreiben, das dieser ein Jahrhundert zuvor einer literarischen Figur in den Mund gelegt hatte: „Das war ein Vorspiel nur. Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Seit 1979 erinnert der „Tag des Buches“, initiiert durch u.a. den Verband deutscher Schriftsteller, jedes Jahr an die Taten vom 10. Mai und daran, die Geschichte und die Erinnerungen an die NS-Zeit wach zu halten, was – gerade in der heutigen Zeit mit zunehmender Verrohung, Radikalisierung und wachsendem Antisemitismus in unserer Gesellschaft – eine wichtige Geste gegen den alten „neuen Geist“ einer Hass-Ideologie ist.
Autoren: Emily Metaschk & Julius Klein (Q1)