Zum Unesco-Welttag der Poesie: Ein Hoch auf die Lyrik! Zwei MCG´ler feiern die Poesie

20.03.2021


Zum Unesco-Welttag der Poesie: Ein Hoch auf die Lyrik! Zwei MCG´ler feiern die Poesie

Lilly Engbrecht (Schülerin der Q1 am MCG) und Heike Harlinghausen (Lehrerin am MCG) haben sich zum angeregten Austausch über Sprachkunstwerke, Rezitationen und die Freude des eigenen Dichtens und Schreibens online getroffen.

 

H: Hallo Lilly! Toll, dass wir uns über Lyrik und Poesie vor dem Hintergrund des Unesco-Welttages der Poesie am 21.03. austauschen können! Ich freue mich! Und mir kommen gerade ganz viele Fragen in den Sinn… eine der ersten wäre: Ich weiß, dass Du eine aktive Autorin in der Welt der Lyrik bist – mit welcher persönlichen Motivation verschreibt sich – so formuliere ich es mal etwas altbacken – ein junger Mensch der Lyrik? (Wenn ich in der Schule Lyrik im Fach Deutsch ankündige, sehe ich durchaus schon mal „lange Gesichter“…)

L: Das mit den „langen Gesichtern“ erlebe ich definitiv auch – und ich muss ehrlich sagen, dass es mir lange Zeit auch so ging: Wenn man Lyrik im Unterricht behandelt, ist es ja immer in Form von Analysen, und letztendlich ist dieses Auseinandernehmen und begründete Deuten das Schlimmste, was der Lyrik passieren kann. Denn dadurch ist der erste und leider meist einzige Kontakt meiner Generation mit dieser wundervollen Kunstform geprägt von einem Richtig und einem Falsch, was Gift ist für Kreativität und Fantasie. Außerdem tut es der Lyrik einfach nicht gut, sie zu sezieren, denn das nimmt, zumindest für mich, den ganzen Zauber heraus. Bei Lyrik geht es auch um große Gefühle – und der Reiz liegt darin, Dinge zu fühlen oder fühlbar zu machen, die nicht in den Worten stehen, sondern „dahinter“. Das klassische Beispiel ist da die Rose als Symbol der Liebe – wenn ich als Lyrikerin über „die Rose“ schreibe und sich der Leser darüber an den letzten Moment intensiv empfundener Liebe erinnert, wenn ich also, ohne jemals das Wort „Liebe“ zu verwenden, genau dieses Gefühl hervorrufen kann, dann habe ich mein Ziel erreicht. Denn es geht für mich besonders um Emotionen und darum, sie zu finden – in sich selbst und in anderen – ohne jemals explizit zu sagen, wonach man sucht. Und diesen subtilen Zauber zerstört das Analysieren im Unterricht meines Erachtens völlig, und plötzlich ist Lyrik nur noch ein nerviges Hindernis auf dem Weg zum Abi: „Oh, hier in Vers drei kommt eine Rose vor, das ist eine Metapher für die Liebe, das muss ich mir für später merken, wenn ich etwas zur Epochenzugehörigkeit schreiben muss.“

H (lacht): Ja, das kann ich nachempfinden – wenn ich da an meine ersten Lyrikbegegnungen als Schülerin zurückdenke… herrje… was habe ich mich immer mit der Bestimmung der rhetorischen Mittel gequält – und einfach nicht verstanden, wie das mit Inhalt und Wirkung zusammenhängt. Heutzutage fasziniert es mich, wie sprachliche Mittel – kunstfertig gesetzt und verwendet – eine unglaubliche Wirkung erzeugen. Aber um das zu erleben, muss man, so denke ich, Lyrik im Vortrag hören – rezitiert, intoniert… da entfaltet sich dann eine solch sprachliche Kraft, wunderbar! Wie bzw. wann ist Deine Leidenschaft für Lyrik entflammt?

L: Ich bin zur Lyrik gekommen, weil ich über meine Oma, die schon immer ein großer Fan von Heinz Erhardt gewesen ist, bereits vor dem Thema Gedichtsanalyse im Deutschunterricht „Kontakt“ mit Gedichten hatte und Lyrik so eben nicht als „das uncoolste Thema“ schlechthin kennengelernt habe, sondern als Kunstform. Und es hat auch geholfen, dass ich nicht direkt mit Goethe und Droste-Hülshoff konfrontiert wurde.

H: Oh ja, Heinz Erhardt – der große Humorist der Nachkriegszeit, der so herrlich mit Sprache spielen konnte! Auf scheinbar leichte und charmante Weise kommen seine Gedichte daher – und dann, schwups, gibt es eine Pointe – und man denkt: Oh ha – da steckt aber ganz schön schwarzhumorige Tiefe hinter vermeintlich simplen Versen. (Anmerkung: Wer mag, liest z.B. mal das Gedicht: „Die polyglotte Katze“). Ich selbst habe eine große Schwäche für Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz – Verse mit sprachlich kunstvollem Spiel, dahinter Tiefe mit humorvoller Schwärze, die z.T. aus bitterer Lebenserfahrung geboren ist und zugleich trotzdem ein sehr lebendiges und lebensbejahendes Augenzwinkern enthält. Morgenstern hat laut eigener Aussage viel Kraft im Schreiben gefunden. Was bedeutet Dir das Schreiben?

L: Für mich ist es ein Ausgleich zum Alltag, einerseits ein Tagebuch, in dem ich niederschreibe, was ich so fühle und alles einfach rauslassen kann, andererseits aber auch eine Möglichkeit, mich mit meinen Gefühlen auseinanderzusetzen und zu lernen, damit umzugehen. Außerdem finde ich auch viel Spaß daran, nach immer neuen Reimen und Metren zu suchen und mit der Sprache zu spielen. Und in anderen (fremden) Sprachen zu schreiben hat natürlich noch den positiven Nebeneffekt, dass man viel mehr Gefühl für die Strukturen und die „Melodie“ und Essenz der Sprache bekommt – es offenbart sich ein Stück weit das Wesen einer Sprache in ihrer Lyrik. So zählt im Deutschen zum Beispiel der Reim mehr, während im Englischen das Metrum im Vordergrund steht – man mache daraus jetzt, was man will.

H: Da muss ich an Shakespeares Sonette denken – zeitlose Klassiker! Die muss man einfach im Vortrag hören, die wollen gesprochen werden, damit sie sich entfalten können. Oder sogar „gespielt“, wie es das Berliner Ensemble (Anmerkung: Berühmtes Schauspielhaus in Berlin, Wirkstätte von Bert Brecht) vor einigen Jahren vorgeführt hat. Welche Lyrik liest Du gerne selbst? Gibt es Lieblings“klassiker“?

L: Wie bereits erwähnt habe ich einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen für Heinz Erhardt reserviert, der einfach einen wunderschönen Stil für sich gefunden hat. Außerdem kenne ich viele talentierte Hobbydichter, deren Werke ich auch mit wachsender Begeisterung verfolge – ich habe auf der Plattform, auf der ich veröffentliche, eine kleine Dichter-Community gefunden, wir sind quasi fast schon eine Familie, weil uns unsere Erfahrungen und die geteilte Leidenschaft für Lyrik so sehr verbinden. Klassische Dichter lese ich in meiner Freizeit tatsächlich eher selten, da ich mit denen ja im Unterricht immer wieder in Kontakt komme – wenn mir da ein Gedicht gefällt, suche ich online oder in der Bibliothek nach weiteren Werken. Zuletzt bin ich so auf Brentano gekommen, von dem jetzt ein Sammelband auf meiner Wunschliste steht.

H: Großartig, dass Du selbst schreibst! Gibt es bestimmte Themen, auf die Du beim Schreiben immer wieder zurückkommst? Oder einen bestimmten Stil? Eine „Färbung“?

L: Puh. Also meine Gedichte sind meist relativ ernst und beschäftigen sich überdurchschnittlich oft mit düsteren Themen wie Einsamkeit, Verlust und Verzweiflung. Mir persönlich ist die Melodie eines Gedichtes immer sehr wichtig, also Metrum und Kadenzen und so, und ich spiele gerne damit, was eine „Melodie“ bewirkt und betont und wie man bestimmte Wirkungen erreichen kann. Ich benutze auch viele Metaphern und Bilder, und meine persönlichen Interessen fließen oft mit ein – ich schreibe viel über Sterne und Schwarze Löcher im Kosmos – sowie Dinge, die mich faszinieren – ein Wald aus Klonen zum Beispiel oder die Gedanken eines Rehs im Scheinwerferlicht. Aber mein Stil verändert sich stetig, so wie ich selbst ja auch nicht stagniere.

H: Du sprichst von Deiner Entwicklung und Wandelbarkeit – wenn Du zurückschaust: Gab es neben dem allmählichen Hineinwachsen in Lyrik über Deine Oma auch Schlüsselmomente?

L: Wie bereits angesprochen bin ich mit Lyrik ein Stück weit groß geworden, aber es gab rückblickend auch ein paar wichtige Momente, die mich zum Dichten gebracht haben. Zum einen gab es ein „Gewahr-werden“ in der siebten Klasse – wir sollten ein Gedicht über eine Rose schreiben (sehr originell, ich weiß, aber ich habe dann eben nicht über Liebe, sondern über Vergänglichkeit geschrieben) – und ich merkte, dass ich das „Dichten“ nicht nur relativ gut (im Vergleich zu meinen 13-jährigen Klassenkameraden) konnte, sondern es mir auch Spaß machte. Ich hatte vorher schon im Unterricht als Aufgabe Gedichte geschrieben und Spaß daran gefunden, aber in dem Moment wurde mir klar, dass ich das auch einfach so machen kann, ohne es im Rahmen von schulischen Aufgaben explizit zu „müssen“. Und dann war ein positiv verstärkendes Schlüsselerlebnis mein erstes freiwillig und frei geschriebenes Gedicht – über meinen Hund. Das ist eine Erinnerung, die mich wahrscheinlich noch lange begleiten wird.

H: Du hast Deine Dichter-Community bereits angesprochen. Ist diese Gemeinschaft als Forum zu verstehen, über das Du Dich mit anderen Schreibenden austauschst oder Gedichte vorträgst? Inspiriert man sich gegenseitig?

L: Ich veröffentliche meine Gedichte, sowohl englische als auch deutsche, auf Wattpad, und da habe ich auch meine Community – wir helfen uns alle gegenseitig, ermuntern uns, tauschen Inspirationen aus, veranstalten Wettbewerbe mit schwierigen Themen und Schlagwörten, um den inneren Schweinehund zu überwinden und immer wieder über den eigenen Schatten zu springen – und wir lesen natürlich auch eine Menge und geben Feedback, denn Gedichte sind leider in der breiten Öffentlichkeit nicht so sehr gefragt. Ich habe wirklich großes Glück, Teil dieser großartigen Community sein zu dürfen, und ohne sie hätte ich sicher vor langer Zeit schon aufgegeben.

H: Wenn Du „reformieren“ könntest – was würdest Du Dir mit Blick auf Lyrik im Unterricht für die Schule wünschen?

L: Wir müssen einfach das Totanalysieren im Deutschunterricht irgendwie ausgleichen. Das Problem ist, dass wir zu früh und im falschen Rahmen mit Lyrik konfrontiert werden – und wenn wir dann alt genug sind, damit Gedichte uns tatsächlich ansprechen können, haben sich die meisten bereits eine Meinung gebildet – Gedichte, das bedeutet viele Analysen als Hausaufgabe und die Klausuren fallen immer schlecht aus, weil der Lehrer bei „lila Quallen“ an etwas anderes denkt als ich. Es wäre einfach schön, wenn die Jugendlichen da draußen der Lyrik noch eine zweite Chance geben würden.

H: Ja, das wäre in der Tat wünschenswert! Für diesen unglaublich facettenreichen und vielgestaltigen Schatz viele zu begeistern – oder zumindest die Tore zu Sprach-Kunst zu öffnen! Ich freue mich zumindest gerade sehr, an Deiner Begeisterung für Lyrik im Gespräch teilgehabt haben zu dürfen. Vielen herzlichen Dank für Deine Offenheit und die Bereitschaft zu diesem Gespräch! Dankeschön! Und klasse, dass wir zwei Deiner Gedichte veröffentlichen dürfen!

 

Unten finden Sie/ findet ihr, werte Leser*innen, Gedichte von Lilly. So lässt sich der Unesco-Welttag der Poesie bestens feiern! Viel Vergnügen!

 

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Wispernd weht der Wind herum
Worte wollen ihm entrinnen
Irren in den irisgleichen
Teichen, doch sie bleiben stumm

Flüsternd fließen tausend Flüsse
Kristallklar kräuseln Wellen sich
Sanftes Säuseln in den Büschen
Blüten blicken brüderlich

Leises Raunen rührt die Reben
Rasch liebkosend lichtes Leben
Junge Winde jagen schnell
Scheue Schatten Karussell

Farben füllen jeden Fleck
Frühling streckt sanft seine Glieder
Wolken wollen weilen wieder
Und Magie die Musen weckt

Künstlerseelen können kreisen
Fliegen fröhlich, friedlich, frei
Fangen Funken und enteisen
Sorgen endlich einerlei

 

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Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Der Kopf ist leer,
Das Herz ist voll;
Und mittendrin denk ich an dich,
Und die Worte jagen sich.
Ein Vers, ein Reim, ‚ne ganze Stroph';
Die dritte macht der zwei den Hof;
Zum ersten Blatt gesellt sich bald
Ein ganzer, kleiner, weißer Wald.
Und so schreib ich Wort um Wort,
Satz und Satz in einem fort;
Vers und Zeile dicht an dicht,
Manchmal prunkvoll, manchmal schlicht,
Oper, Welthit, Wiegenlied,
Stehen hier in Reih‘ und Glied.

Ich bin stolz auf jedes Wort,
All die Gedanken steh’n nun dort;
Ich brauchte meine ganze Kraft
Und jed‘ Wort ist voll Leidenschaft –
Mein Herz sie alle zu mir trug,
Ich schrieb mir meine Seel‘ heraus;
Doch für dich ist’s nicht genug,
Nein, für dich reich ich nicht aus.

So reiß ich Vers um Zeil‘ entzwei
Was auf den Blättern – einerlei;
Es landet auf den Dielen still.
Ich weiß nicht, was ich sagen will;
Für dich ist jedes Wort nicht recht,
Doch die Gefühle mein sind echt!
Ich will für dich das Beste sein,
Ich schreibe doch für dich allein,
Für dich bring ich mich zu Papier,
Und jedes Wort gehört nur dir.

Ich weiß nicht, was ich machen soll;
Das Blatt ist leer,
Der Boden voll.

Stand vom 20. März 2021, um 13:58 Uhr.